7 Uhr 30. Der Holzlieferant parkiert seinen Anhänger vor unserem Haus. Mit drei Ster Holz. Wir haben genau bis High Noon Zeit, das Brennholz vom Eingang durch den Korridor zum Hinterausgang zu schleppen und auf der Terrasse aufzuschichten. Juli. Die Zeit drängt. Der Winter wird lang werden.

C. schichtet das Holz auf einen Rollwagen, rollt durchs Haus, lädt hinten ab und ich schichte auf. Wie er es mir zeigt und wie ich das aus dem Wald kenne.

Schon steht Nachbarin 1 vor der Tür und will helfen. C. dankt und meint, das sei nicht nötig. Sie geht enttäuscht von dannen. Wahrscheinlich Kindheitserinnerungen, die das Holz auffrischt.
Wir wechseln Position und ich lade vor dem Haus ab, was mich in Kontakt mit dem Personenverkehr bringt.

Rassig fährt eine Bewohnerin des Orts im Auto vor und sagt: «Hättest du doch telefoniert. Ich helfe immer gern.» Heute hat sie aber anderes vor.

Nachbarin 2 in unserer kleinstädtischen Häuserzeile aus dem 19. Jahrhundert kommt mit Giesskanne aus dem Haus, füllt sie am Brunnen vor unserem Haus, um ihre Blumen auf dem Fenstersims zu giessen. «Damit sparst du dir ein Fitness-Abo», sagt sie lachend. Könnte von mir sein. Hätte ich an ihrer Stelle auch gesagt.

Ihr Sohn fährt mit dem Velo vor und will wissen, ob wir schon kalt haben.

Ein älteres Touristenpaar parkiert neben dem Anhänger mit der Ladung Holz, die gefährlich nach unten zu gleiten beginnt. Rette mich auf die Seite und sehe, wie die beiden mich bewundernd ansehen. Vielleicht auch entsetzt. Genau ist das Gefühl nicht auszumachen.

Auf die Bühne tritt Nachbar 3 und wir diskutieren eine Weile über den melodischen Jazz, den junge Musiker aus England und Irland wiederentdeckt haben und jetzt in Montreux darbieten.

Das Touristenpaar hat den fünf-Minuten-Rundgang durch den Ort absolviert, die Kultur inhaliert und offenbar weder Proviant noch Wanderschuhe vorgesehen, um die nähere Umgebung zu erkunden. Die zwei stehen neben ihrem Auto und gaffen uns an. Der Tourist sieht gern, wie Einheimische leben und arbeiten. C. und ich sind zwar nicht von hier, was man nach drei Sätzen auch hört, aber als Dekor sind wir recht dienlich. «Schön, wie die Leute hier noch miteinander reden», sagt die Touristin. Dann steigt das Paar ein und fährt ab in die Zivilisation.

Jetzt braust eine Harley Davidson – Kolonne vorbei. Dicke, wohlhabende Rentner, die endlich Zeit haben, in den engen Gassen unseres Orts von «Easy Rider» zu träumen. Der Film-Ritt war landschaftlich aber echt anders angelegt. Sei’s drum.

Neben dem Brunnen vor unserem Haus hält jetzt der junge Papi aus einer andern Landesgegend seinen Range Rover an, lässt die Fenster runtergleiten und erklärt seinen drei verwöhnten Gören das Leben in der Antike: « Eure Urgrosseltern haben auch noch so gelebt. In jedem Haus hatte es einen Holzofen, meistens in der Küche, dem einzigen warmen Raum. Immer musste man Holz nachschichten und in der Nacht war es bitterkalt. Die armen Leute hier tun das noch heute. Die haben keine Idee von Solarzellen. Und auch kein Geld dafür.» Wie gerne würde ich dem Papi einen Uppercut verpassen. Gehört sich aber nicht im Touristenort.

11 Uhr 30. Arbeit erledigt. Das Holz ist lückenlos in zwei Reihen aufgeschichtet. Wir bewundern es wie ein kleines Kunstwerk. Für den Kater bastelt C. aus Kissen einen Hochsitz und siehe da, der Vierbeiner ist begeistert.

Ich wische die Holzspäne zusammen, Nachbar 3 kommt vorbei und setzt sich zu C. auf den Bank vor unserem Haus. Ich bringe eine Ladung Bier und die beiden tun sich gütlich, bis pünktlich um 12 Uhr der Holzlieferant seinen Anhänger abholt.

C. geht in die Bäckerei um die Ecke Brot kaufen und meldet bei der Rückkehr, dass wir zu einem Ausflug eingeladen sind. So geht das im kleinen Touristenort. Geht man vor die Tür, erfährt man den neusten Klatsch, macht zum Apéro oder Essen ab. Von den Besuchern wird man als Eingeborener beäugt, wenn nicht sogar fotografiert. Das kittet den Zusammenhalt im Ort. Man ist gerne beieinander und unter sich. Da gehören sogar wir Auswärtigen und Zugewanderten dazu.

Der Ausflug führt an einen landschaftlich herben, zauberhaften Ort, zu einem Restaurant am Fluss, unter Felsen und Wald. Die Terrasse gefällt den vielen Touristen, die behaupten werden, dass Gegenden wie die unsere vom Tourismus leben. Vielleicht lassen sie mal Geld für ein Essen springen, in der Regel kommt aber alles im Rucksack von zuhause mit.

Wir amüsieren uns köstlich und beschliessen, an einem kalten Novembertag hier in dem rustikalen Saal zu essen. Touristenfrei.
Samstagabend ist Konzert im Ort. Aber man muss auch mal was auslassen können. Schon bald kommt der Zirkus, dann 12 Tage klassische Konzerte, dann Autorennen, dann weitere Belustigungen im Ort.

Sonntag. Markttag. Stände in allen Strassen, vom Sirup bis zum antiquarischen Buch alles im Angebot. Uns zieht es in eine der zwei Kunstgalerien. C. hat ein Bild gesehen, dem er zwingend einen roten Punkt verpassen musste. Heute ist der letzte Ausstellungstag und auch der Final der Fussballmeisterschaft. Am frühen Nachmittag beginnt es zu regnen, der Fussballtermin dezimiert die Touristenschar, C. kann sein Bild abholen und sich daran freuen, bevor er, wir im Ort, die Touristen und alle Welt sich virtuell vor dem TV versammeln und hoffen, dass der Beste gewinnen möge.