Wir sind in einem grossen Partyraum. Firmenfest. Die Leute beäugen sich, gehen aufeinander zu oder lassen sich ansprechen. Erich sieht durchs Gewimmel eine hübsche Blondine, die ihm zwar bekannt vorkommt, die er aber offiziell noch nicht kennt. Nachholen, denkt er und bringt ihr einen Drink. Sie lacht, nimmt ihn entgegen und ihre Hand streift seine. Die beiden wechseln ein paar Worte und wenden sich dann andern Leuten zu. Der Abend dient dem Networking. Das soll was einbringen.
Erich und die Blonde sehen sich am nächsten Tag auf dem Firmengelände und jetzt schnappen die Synapsen. Das ist doch die Sue, mit der er sich vor Jahren beim obligatorischen Lernfahrunterricht so gut verstanden hat. Jetzt geht das Plaudern leichter. Man verabredet sich auf einen Drink bei ihm. «Meine Freundin wird sich freuen», sagt er.

Wir sind in einem grossen Partyraum. Firmenfest. Die Leute beäugen sich, gehen aufeinander zu oder lassen sich ansprechen. Erich sieht durchs Gewimmel eine Frau. Genau in diesem Augenblick dreht sie sich in seine Richtung und schaut ihn an. Als ob sie kennen, nein – wiedererkennen würde. Und in ihm rührt sich etwas. Dieses Gefühl zu benennen, wäre pathetisch. Der Abend soll dem Networking dienen. Er nimmt die Menschen um ihn herum nicht mehr wahr. Wie ferngesteuert geht er auf die Frau zu und nimmt ihre Hand. Die beiden sehen sich stumm an und meinen sich seit hundert Jahren zu kennen.
Erich und die Frau treffen sich am nächsten Tag auf dem Firmengelände wieder und erinnern sich vage an einen obligatorischen Lernfahrunterricht, den sie beide besucht haben. Vor Jahren. Wie konnte es sein, dass sie damals noch nicht dasselbe empfanden? Sie sind gestern Abend ohne darüber nachdenken zu können, in einem Zug gelandet, der beschleunigt und nicht mehr zu bremsen ist.« Ich werde mit meiner Freundin noch heute darüber reden, das ist nur fair », sagt er.

Version eins ist ein netter Zufall ohne gravierende Konsequenzen. Erich bringt die Blondine nachhause, man trinkt, amüsiert sich, verabredet sich ein weiteres Mal und der Freundeskreis mag sich aus diesem zufälligen Treffen heraus angenehm erweitern.

Version zwei ist Schicksal. Da gibt es kein Entrinnen. Die Reaktion zweier Menschen aufeinander ist archaisch, chemisch. Die Mär vom selbstbestimmten Wesen nimmt hier ein Ende.

Das «Schicksal» scheint sich an die Anleitung für Drehbücher zu halten: Jeder Dialog und jede Aktion muss die Handlung vorantreiben. Denn hier ist der Weg nicht das Ziel, sondern dient dem bolzengeraden Rasen auf ein prädestiniertes Ende hin.

Geschichten von Zufällen sind unterhaltend, Geschichten vom Schicksal sind dramatisch.

Stellt sich nur die Frage, wie viel Drama unser Alltag erlaubt, bevor wir daran zerbrechen.